Mit Lust und Liebe glauben by Kreidler-Kos Martina & Hutter Christopher

Autor:Kreidler-Kos, Martina & Hutter, Christopher [Kreidler-Kos, Martina & Hutter, Christopher]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch-Religion
ISBN: 9783796617331
Herausgeber: Schwabenverlag
veröffentlicht: 2017-02-13T00:00:00+00:00

Ein dringender Bedarf

Dass diese Passagen mit ihren offenen, differenzierten und versöhnlichen Tönen im innerkirchlichen Diskurs wegweisend sein können, steht außer Frage. Sie könnten und sollten ihre Kraft aber weit über den kirchlichen Raum hinaus entfalten, weil die Gesellschaft als Ganze weit davon entfernt ist, auf eine funktionierende Trennungskultur zurückgreifen zu können. Die Frage, wie eine glückende Trennung geht, bleibt weitgehend unbeantwortet. Es fällt auf, dass gerade von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen, die sich intensiv mit Trennung und Scheidung beschäftigen, eine Verschiebung von einer quantitativen hin zu einer qualitativen Betrachtung des Trennungsgeschehens eingefordert wird. Vielleicht ist das größere gesellschaftliche Problem nicht, dass Menschen sich trennen, sondern wie sie sich trennen: dass Trennungen viel zu wenig gestaltet werden und in den »Rosenkriegen« oft eine eskalierende Trennungsdynamik entfesselt wird, die nicht mehr beruhigt werden kann. Mit Helmuth Figdor, einen Psychoanalytiker der sich ausführlich mit Trennungsfamilien beschäftigt hat, bleibt festzuhalten, dass »das Missglücken der Scheidung unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen […] der Regelfall ist«.163 Dass es prinzipiell keine gerechte, ja sogar glückende Trennung geben kann, ist damit aber nicht gesagt.

Die Glücksforschung lädt hier zu etwas Optimismus ein, weil die Trennung selbst bereits in einer Phase stattfindet, in der die Werte für das subjektive Glücksempfinden der Betroffenen nach einem oft langen Niedergang wieder leicht ansteigen.164 Sich aus der Resignation und Lähmung einer unbefriedigenden Beziehung zu befreien, scheint also ein durchaus positiv konnotierbarer Schritt zu sein. Mit diesen Werten bestätigt sich eine Intuition Jakob Levi Morenos, der bereits vor über fünfzig Jahren von der Möglichkeit einer »kathartischen«, also einer heilsamen Scheidung gesprochen und das Wachstums- und Heilungspotential von Trennungen unterstrichen hat.165 Mit gleicher Zielrichtung betont Jürg Willi, ihm läge viel daran, »die Trennung einer Liebesbeziehung in ein positiveres Licht zu stellen«166. Sie kann eine Entwicklungschance sein oder eine Möglichkeit, sich mit Kritik und Impulsen ernsthafter auseinanderzusetzen als in einer Beziehung.

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